„Für die Markenarbeit mit der IU mussten wir unser Mindset aufbrechen.“

Im Oktober titelte die FAZ über unsere Kundin IU Internationale Hochschule: „Die Hochschule, die alles anders macht.“ Kein Wunder, denn sie ist ein mutiger Vorreiter im Bildungsmarkt:

Statt mit Vollzeitpräsenzstudium kann man an der IU online und in Teilzeit studieren. Oder mit dem Studienmodell „myStudium“ sogar selbst entscheiden, wieviel man am Campus und wieviel man virtuell lernen will. Die IU setzt auf ein digitales Geschäftsmodell und konsequent auf neue Technologien. Aktuell verändert sie mit ihrem KI-gestützten Lernassistenten Syntea grundlegend die Art und Weise, wie Studierende lernen.

All das tut die IU in einem atemberaubenden Tempo, Veränderung ist an der Tagesordnung. Deshalb mussten auch wir bei unserer Markenarbeit für die IU ein paar Glaubenssätze über Bord werfen. Davon berichtet unser Teamleiter Moritz Piel im Interview:

Moritz, du bist seit 2019 verantwortlicher Mandatsleiter für die IU. Was waren die Herausforderungen für uns?

Wir mussten unser Mindset in vielen Dingen aufbrechen, da die IU nach „neuen“ Markenspielregeln arbeitet, was viele andere Unternehmen nicht tun. Diese Spielregeln sind: superagil und superschnell sein, IT-ähnliche Arbeitsprozesse wie Scrum, Sprints, usw. sowie Entscheidungen treffen auf Basis von Kennzahlen und Testings, die bedingungslos den Kunden in den Fokus stellen. Das hatte zu Beginn etwas von Clint Eastwood, so à la „Wir reiten in die Stadt und der Rest ergibt sich – mit dem Zusatz: „Hauptsache alles wird besser“ (lacht). Heißt konkret: Ziel war immer, den Wettbewerb zu schlagen. Hinzu kam die Vorgabe, dass wir bis zum Roll-out nur 365 Tage Zeit hatten. Das hat einen wahnsinnigen Speed ins Projekt gebracht. Dass wir das dann bei all den qualitativen und quantitativen Tests auch geschafft haben, ist das eigentlich Verrückte daran. Dafür braucht man sonst mindestens eineinhalb oder auch zwei Jahre. Neu für uns war auch, dass an vielen Dingen parallel gearbeitet wurde, die eigentlich aufeinanderfolgen. Da haben wir uns Mittel und Wege einfallen lassen, wie das funktionieren kann.

Du hast gerade gesagt, dass bei der Markenentwicklung mit Testings gearbeitet wurde. Hattet ihr das auch schon bei anderen Kunden gemacht?

Früher hatten wir den Ansatz: Marke braucht Beständigkeit und Zeit und darf nicht so vielen Veränderungen unterworfen sein. Damals hat man in der Markenberatung nur sehr wenig mit Testings gearbeitet, weil es für wirklich aussagekräftige Ergebnisse einfach zu kostenintensiv war. Außerdem gab es da immer diese dauerhafte Befürchtung, dass „kluge, alte“ Entscheidungen von Test-Ergebnissen auseinandergenommen werden oder bestimmte Dinge einfach nicht testbar sind. Das ist aufgrund neuer, digitaler Möglichkeiten heute anders.

Inwiefern anders?

Gemeinsam mit der IU haben wir bewiesen, dass man eine Markenpositionierung vollständig auf Basis von Testings entwickeln kann und sollte. Bis die Positionierung stand, haben wir mit ca. 19.000 Leuten direkt oder indirekt gesprochen und verschiedene Positionierungsrouten an ihnen getestet. Und so herausgefunden, welche Positionierung die Zielgruppe am meisten abholt – und es hatte wenig mit dem zu tun worauf sich andere Hochschule zu der Zeit am Markt profilierten. Das heißt wir haben in gewisser Weise die Markenpositionierung von außen nach innen entwickelt. Natürlich unter Berücksichtigung der Stärken der IU, aber stets adaptiert an die Realität der Studierenden. Vor dem Prozess mit der IU haben wir hier meistens zuerst inside-out gearbeitet.

Habt ihr nur bei der Markenpositionierung mit Testings gearbeitet?

Wir haben nicht nur die Positionierung, sondern quasi jeden Bereich der Marke IU mit Testings beackert – und in allen Bereichen haben wir durch diese Testingbreite und -tiefe spannende Erkenntnisse gewonnen. Erkenntnisse, die als Grundlage für die Produktentwicklung, Serviceentwicklung und natürlich auch für die Entwicklung des Designs und anderer „Markenbereiche“ dienen.

Warum hattet ihr Testings in dieser Tiefe noch nicht bei anderen Kunden z.B. in der Designentwicklung eingesetzt?

Fast keiner hat den Mut, Designvorschläge zu vertesten – weil sie Angst haben, dass alle durchfallen und man dann fünf neue entwickeln muss. Auf einmal ist man dann nicht mehr der Star-Designer, der Markt und Zielgruppe aus dem Effeff kennt und entsprechend wirksame Designs oder Kommunikation entwickelt. Wir haben gesagt, das kriegen wir hin. Und bei der IU muss es zuallererst digital funktionieren und den Status Quo schlagen. Auch hier haben wir über Testings erarbeitet, welches Design für die Zielgruppe und den Hochschulkontext funktioniert sowie den Wettbewerb deutlich schlägt. Mein Learning dabei: Ein Branding kann und sollte gerade in der heutigen digitalen Welt große Spielräume bieten, Aufmerksamkeit wecken und dabei dennoch unbedingt immer wiedererkennbar und differenzierend sein. Dabei dürfen große Teile des Designs variabel gehalten werden und sich schnell verändern bzw. weiterentwickeln, bestimme Codes oder Merkmale aber nur sehr langsam oder eben gar nicht.

Das heißt, das hast du früher anders gesehen?

Ja, definitiv. Wir als Markenberater sagen ja immer: „Marke muss konsistent sein und beim Design darf nicht jeder machen, was er will.“ Bei der IU spielen UI und UX sowie die permanente Website- und Produktoptimierung eine sehr große Rolle. Die sind von Anfang an mit dem Design sehr viel flexibler umgegangen, als wir das von anderen Kunden gewohnt waren. Begründung: „Testing sagt ‚Funktioniert so besser‘.“ Das war ein Learning für uns: Design muss flexibel und dehnbar sein und sich auch mal an kurzfristige Anforderungen, Stichwort MVP, anpassen. Das Design darf dabei aber nicht auseinanderfallen oder austauschbar werden, wenn man es für bestimmte Touchpoints oder „Konvertierungszwecke“ im Web adaptiert. Es kann bzw. muss trotzdem wiedererkennbar bleiben, auch wenn es sich schnellen Veränderungen unterwerfen muss. Genau dann, wenn Marke und Performance zusammenkommen, wird konvertiert bzw. langfristig Wert geschaffen. Das gilt nicht nur für das Design, sondern für alle Bereiche.

Was genau sind diese schnellen Veränderungen?

Gerade bei der IU verändern sich die Strategie sowie die Kontaktpunkte sehr schnell. Vor drei Jahren haben sich die Studierenden noch Lernvideos angeschaut, heute nutzen sie einen KI-Chat. Das heißt wir konnten teils noch gar nicht absehen, für was Strategie, Design und Kommunikation alles funktionieren muss. Weil die Entwicklung bei der IU so rasant ist, arbeiten wir viel mit MVPs. Als Markenberater musste ich da schon mal beide Augen zukneifen. Habe aber gelernt, dass dieses Vorgehen trotzdem sehr gut funktioniert wenn man eine wirklich handlungsleitende Positionierung sowie bestimmte Codes als Leitplanken hat – die nachweislich die Zielgruppe perfekt adressieren. Durch die Stabilität der Planken kann ein Auto so quasi auch mal aus der Kurve fliegen, ohne abzustürzen.

Hast du noch andere persönliche Erkenntnisse mitgenommen, warum deine Arbeit für die IU so erfolgreich war?

Ja. Ohne den Mut, uns auf diese neue Welt einzulassen, wären wir nicht so weit gekommen. Das hatte natürlich auch Downsides, viel Diskussion, viel vor und zurück und auch Testing-Ergebnisse, nach denen es „zurück auf Los“ ging. Aber wir waren offen für diese neuen Prozesse. Nur so hat es funktioniert. Und der Erfolg gibt der IU und uns recht: Die gestützte Markenbekanntheit der IU ist von knapp 4 % in 2019 auf fast 23 % in 2023 gestiegen und die IU hat in dieser Zeit die wichtigsten deutschen Markenawards gewonnen. Seit 2021 deutsche Marktführerschaft, heute auf dem Weg, die Bildungsinstitution in Europa und der Welt zu werden.