Möbelmarken ohne Typik: Warum sich Design der Marke unterordnen sollte.
Perfekt geformte Wohnobjekte und hochwertig verarbeitete Materialien, imposante Messestände und experimentelle Talentbereiche – als Showcase der weltweiten Design-Elite ist die Internationale Möbelmesse Köln (IMM) jährlich Treffpunkt von Kreativen und Entscheidern aus dem Einrichtungsbereich. Tatsächlich ist die IMM dabei in weiten Teilen eine spannende, inspirierende Entdeckungsreise und erfreut sich, gerade in diesen unsteten Zeiten1, auch bei einem breiten, solventen Publikum wachsender Beliebtheit.2
Umso erstaunlicher ist es, welche geringe Rolle das Thema Marke auf der Messe spielt. So versäumen es insbesondere die Möbelhersteller, sich und ihre Angebote markentypisch zu inszenieren und aus der Masse herauszustechen: Halle um Halle reiht sich Hersteller an Hersteller und Produkt an Produkt, ohne dass sich gravierende Unterschiede ausmachen ließen. Auch im Jahr 2016 scheinen die meisten Möbelhersteller Marke noch immer mit der Verwendung eines Logos gleichzusetzen – und lassen ihren Designern viel Spielraum für reine Produktshows. Gerade in diesem unübersichtlichen Umfeld – allein die IMM listet für das Jahr 2016 insgesamt 1185 Aussteller3 – ist dabei der potenzielle Wert einer starken Marke nicht hoch genug einzuschätzen. Hier gilt es für die meisten Möbelhersteller nachzulegen – und mit konsequenter Markenführung für Orientierung zu sorgen und sich klar vom Wettbewerb zu differenzieren.
1. Inhaltlich Orientierung bieten.
Jedes Jahr wieder fällt bei der IMM der durchgehende Verzicht auf kommunikative Markenbotschaften auf. Die Möbelmarken inszenieren sich fast ausschließlich über ihre Produkte, die jedoch zum Großteil austauschbar sind. Kaum ein Aussteller adressiert einzigartige und für die Zielgruppe relevante Themen, und auch andere mögliche Differenzierungsmerkmale werden bei den wenigsten Marken erlebbar – weder explizit über die Kommunikation noch implizit über Design oder Verhalten.
Als eine der wenigen Ausnahmen kann Team7 genannt werden. Mit ihrer dezenten „tree story“ liefert der auf Massivholz spezialisierte Küchen- und Möbelhersteller einen glaubwürdigen Ansatz für eine konsistente und spannende Markengeschichte, die sich abhebt und im Gedächtnis bleibt. In den meisten Fällen jedoch bleibt der Besucher mit vielen Fragen zu den Alleinstellungsmerkmalen des Ausstellers zurück – oder stellt sie sich erst gar nicht.
2. Formal Orientierung geben.
Zumeist findet man auch keine prägnanten, wiederkehrenden Elemente, die eine Differenzierung im Markenauftritt abseits des Logos ermöglichen. Dabei gäbe es gerade in dieser doch grundsätzlich so kreativen Branche unzählige Möglichkeiten, mit Hilfe von Gestaltungselementen nicht nur im Produktdesign, sondern auch im Kommunikations- und Stand-Design (und letztlich über alle Disziplinen hinweg) echte Markencodes mit hoher Typik und Wiedererkennbarkeit zu erzielen. Selbst wenn sich Marken vereinzelt auf Produktebene mit besonderen Designerstücken profilieren können, bleiben sie uns im Hinblick auf das Gesamtsortiment ein stimmiges Bild schuldig. Zu oft scheint es, dass die Branche Designer engagiert, die dem einzelnen Produkt zwar Glanz verleihen, aber nicht zur Profilierung der Marke des Herstellers beitragen. Markentypik entsteht dabei höchstens für den Designer.
Fazit.
Gerade Messen wie die IMM stellen oft den ersten Kontakt mit einer Marke dar. Umso wichtiger ist es hier, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen und die Marke typisch zu vermitteln.
Auf der IMM (und im Markt der Möbelhersteller insgesamt) werden potenzielle Interessenten von den ausstellenden Marken sträflich im Stich gelassen. Bei allen Zugeständnissen an die Aussteller, aktuelle Gestaltungstrends zu bedienen und ihren Designern eine Bühne zu geben – eine Messe dieser Größenordnung gilt es für die Stärkung der Marke selbst zu nutzen. Dies setzt zunächst natürlich voraus, dass sie durch Typik in ihrem Angebot, ihrem Design, ihren Botschaften und ihrem Verhalten identifizierbar ist. Bekannte Designer können dabei helfen … in jedem Fall sollte aber sichergestellt sein, dass auch sie 1. mit dem jeweiligen Stil selbst zur Marke passen und 2. Vorgaben auf Basis der Marke befolgen.
Dabei kann eine klare, im Sinne der Marke definierte Designstrategie helfen, um sowohl Designkonstanten als auch Gestaltungsfreiräume in unterschiedlichen Stilrichtungen festzulegen. Nur so können im Rahmen der Positionierung markentypische Innovationen mit einzigartigem Charakter entstehen – und nicht „nur“ nutzergerechte, aber austauschbare Produkte. Ein Beispiel hierfür stellt die Marke KALDEWEI dar, die von der Entwicklung unterschiedlicher Designkorridore über die Herleitung von prägenden Produktelementen bis hin zur Gestaltung von Montageanleitungen immer dem Kern der Marke folgt.
Für Möbelhersteller gilt es, sich selbst noch in einem viel größeren Maße als Marke zu verstehen, sich differenziert zu positionieren und von der reinen „Gestaltungsarbeit“ zu einer langfristigen, ganzheitlichen Markendenke zu kommen. Gerade in diesem unübersichtlichen Markt können so ganz neue Wachstumspotenziale erschlossen werden.
Autor: Roman Brandstätter, Januar 2016.
Quellen:
1 Andrej Kupetz, Hauptgeschäftsführer Rat für Formgebung, im DLF (Neue Talente und neue Ideen)
2 Presseteam imm Cologne
3 Presseteam imm Cologne